Kritische Weihnachtsreime


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Christabend

Christabend wars. Ich träumte durch die Gassen,
Vom Weihnachtsglanz mein Herz durchglühn zu lassen.
Mein Herz war fromm, als ob durch jede Flocke
Das Bluten einer wunden Seele stocke.

"Frieden auf Erden und den Menschen allen
Glückseligkeit und stilles Wohlgefallen!"
Da, wie ich ging, zerstörte meine Träume
Ein Haufen unverkaufter Weihnachtsbäume.

Sie lagen auf dem Pflaster da, vergessen
Und schneebedeckt, als wär' ihr Grün vermessen,
Als schämten sie sich ihrer hellen Farben,
Die doch so gern, um heut' zu leuchten, starben.

Gleich einer Gauklerschaar, im Wald erfroren,
Die tief im Schnee den Weg ins Dorf verloren,
So lagen sie und sah'n aus ihrem Dunkel
Rings in den Fenstern strahlendes Gefunkel.

Sie lagen da, wie unerfülltes Sehnen,
Erträumter Schimmer, ausgelöscht durch Thränen,
Wie Leid, das wirr um die Erlösung betet,
Wie Kinderjauchzen, das der Hunger tötet.

Sie lagen da, verschüchtert und verbittert,
Vom Frost des Elends bis ins Mark durchzittert,
Den Glanz verfluchend, gleich Millionen Seelen,
In denen heut' die Friedenslichter fehlen.

Hugo Salus


Weihnacht

Da hob sich voll der Klang der Weihnachtsglocken.
Zu meinem Lager, drauf ich matt und krank
Und einsam siechte, drang ihr Friedensklang;
Ich wachte auf, erregt und süß erschrocken.

Mir war, der Engel der Versöhnung bleibe
Auf seinem Flug vor meinem Fenster auch,
Es taue auf vor seines Mundes Hauch
Die frosterstarrte, blinde Fensterscheibe.

Als spräche er zu mir: Mein lieber Heide,
Zum Sternenhimmel blick empor! Du bist
Durch das Martyrium des Leid's ein Christ!
Auch dir klingt eine Glocke: Leb' und leide!

Hugo Salus


Weihnachten

Wenn herüber zu meinem Garten
Die alten Lieder tönen
Der Pfeifer, die, aus dem Gebirge kommend,
Jeglich Marienbild mit Weisen grüßen,
So dünk' ich mich in seltsame, ferne
Wunderzeiten entrückt,
Und alte Legenden, und himmlische Sehnsucht
Zarte Lieb' und große Erinnerung
Quellen aus den rauhen, einfachen Tönen.
Tiefer, und inniger
Spricht der Frömmigkeit Wort
Die wunderliche Melodie,
Als in den Kirchen
Der neuen Künstler Wirrwarr,
Die alle Töne keck aufbieten
Um zu heucheln und zu grimmassiren,
Und mit weltlichem Prunk
Das Heilige höhnen.

Ludwig Tieck


Weihnachten

So steh ich nun vor deutschen Trümmern
und sing mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch mich nicht mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschieht.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis, ich merk es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
O Tannebaum!

Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm in dies Brimborium
- bei Deutschen fruchtet keine Lehre -
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse gröhlt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing sie gern in deine Zweige,
o Tannebaum!

Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
uns Deutsche mir der Lammsgeduld?
Die leiden nicht. Die warten bieder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, den Kastendünkel nieder!
Glaub diesen Burschen nie, nie wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
O Tannebaum! O Tannebaum!

Kurt Tucholsky


Weihnacht

Weihnacht! Weihnacht! Tausend Jubelklänge
Schallen froh zum Himmelsdom empor.
Weihnacht! Weihnacht! Tausend Freudensänge
Schlagen an mein wonnetrunknes Ohr.
Mag ich einsam auf den Gassen lauschen,
Oder tret' ich in den bunten Saal:
Lied und Scherz zu mir herüber rauschen,
Lust und Wonne hallt von Berg und Thal.

Weihnacht! Weihnacht! Siehe, tausend Kehlen
Jauchzen dir und deiner stillen Pracht -
Aber hunderttausend arme Seelen
Ächzen draußen in der kalten Nacht.
Hunderttausend arme Schächer wimmern,
Ach vergebens, um ein Stückchen Brot,
Und aus hunderttausend Hütten schimmern
Frost und Hunger, Elend, Gram und Noth.

Weihnacht! Weihnacht! Ach, aus goldnem Hause
Flammt der Kerzenschein mit hellem Strahl;
Doch das Elend weint in dunkler Klause
Blut'ge Zähren, stumm, in Todesqual.
Harter Mann, der du mit tollem Schwärmen
Übertäubst des Bettlers Klagelied:
Rührt dich nicht der Armuth stilles Härmen,
Die vor deinen Thüren bebend kniet?

Weihnacht! Weihnacht! Nacht, da Gott gesendet
In die Welt den eingebornen Sohn:
Sieh, dein Walten blieb noch unvollendet,
Und es dünkt uns fast ein grimmer Hohn.
Sprich, "Allmächt'ge Liebe!" kannst du's leiden,
Dass umsonst sein Brot der Arme sucht,
Dass am üpp'gen Mahl sich Tausend weiden,
Doch der Bettler Schar dich wild verflucht?

Weihnacht! Weihnacht! Kennst du kein Erbarmen,
Ew'ger Gott, verschließt sich uns dein Herz?
Kam dein Jesus Christus nicht den Armen,
Nicht, zu stillen der Betrübten Schmerz?
Gott, mein Gott! was hast du uns verlassen?
Deine schöne Welt verscheidet still,
Sieh, dein Volk verhungert auf den Gassen -
Und kein Heiland, der ihm helfen will!

Adolf Strodtmann


Zu Weihnachten

Das war in längst gestorbner Kinderzeit,
Der dunkle Rittersaal stand warm in Helle,
Die Tür verschloß den Baum der Seligkeit,
Wir warteten des Wunders auf der Schwelle...

Es brach das Licht sich diamantne Bahn
Durch Spalt und Ritzen wie ein Tanz von Sternen
Wir hielten unsres Herzens Schläge an,
Dem Glockenruf zu lauschen aus den Fernen.

Dann rief das Klinglein - und die Liebe schloß
Die Pforte auf, da unsre Weihnacht lohte.
Es ragte eine Tanne flimmernd groß,
Wie aus dem Märchenland ein Flammenbote.

Und drunter lagen Freuden hingestreut,
Wie fremde Blüten aus den Weihnachtzweigen:
Viel Süßes, das uns einst so tief gefreut,
Ward in Genuß und Spiel uns da zu eigen.

Der Lichterbaum losch mit der Kindheit aus;
Das eigne Schicksal wuchs, ein Baum in Wettern,
So vielverzweigt und himmelhoch hinaus,
Und Rätselhaftes stand auf allen Blättern.

Nun siegt nicht mehr der Glanz. Die Dunkelheit
Liegt lastend in den schönen, ernsten Zweigen;
Und öfter als ein Lachen wird das Leid
Als Frucht aus diesen Blättern dir zu eigen...

Der strenge Lebensbaum voll bittrem Saft
Wird nie, wie jener Baum, mühlos beglücken,
Und Freuden kannst du nur mit eigner Kraft,
Wie goldne Hesperiden-Äpfel, pflücken...

Alberta von Puttkamer


Auf dem Christmarkt

Von Allem, was ich hier vergnüglich fühle,
Ist Keines, das so wohlig mir behagt,
Als daß in diesem hastigen Gewühle
Kein Einz'ger nach der eignen Freude jagt;
Daß ich die Sorge seh' so heiter wandern,
Mit der sich allwärts einer um des andern
Herzlieblingswünsche eifrig-fröhlich plagt.

Ist's nicht, wie wenn des alten Adams Triebe,
Die durch das ganze Jahr beherrscht die Welt,
Mit Einem Mal vor spendefroher Liebe
Geräumet hätten überall das Feld?
Als wär' der dunkle Drang, sich selbst zu pflegen,
Das liebe Ich mit Gunst und Gab' zu hegen,
Vom Christnachtslicht gescheucht und aufgehellt!

O Nacht der Wunder, heller als der Tage
Lichthellster, was uns auch dein Glanz erwirbt
Das Beste bleibt, daß vor dir jede Frage
Nach eigner Lust so wunderbar erstirbt;
Daß einmal still wird selbstisches Begehren
Und nur die Sorge, fremde Freud' zu mehren,
Ganz leis die unsre, doch halb froh, verdirbt.

Carl Altmüller


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