Kritische Weihnachtstexte


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In der Christnacht

In Nacht und Trauer liegt die Erde,
Erloschen ist auf ihrem Herde
Das Leben unter Eis und Schnee.
Am Himmelsraum vorüberwanken
Die schweren Wolken, wie Gedanken
Von Todesahnung, Todesweh.

Da horch, was tönt nun plötzlich heute
Für dumpf melodisches Geläute
Herüber durch die Winterluft?
Es ist der Christnacht Jubelmette,
Die nach des Heilands Wiegenstätte
Die andachtsvolle Menge ruft.

Warum wollt ihr, ihr tiefen Glocken
In's Auge mir die Thräne locken,
Die sich zurück nicht drängen läßt?
Warum wollt ihr mich wieder mahnen
An meiner Kindheit lichte Bahnen,
An meiner Kindheit schönstes Fest?

Wollt ihr mit euren heiligen Klängen
Noch einmal mir die Brust beengen
Und dringen auf der Seele Grund?
Umsonst, umsonst - mein Kinderglaube
Ward längst dem Leben schon zum Raube
Und nicht mehr beten kann mein Mund.

Ich hab vergessen zu erheben
Den frommen Blick nach jenem Leben,
Das manchen Armen trösten muß.
Mir ist der Glaube, zu zerspittern,
Zu nichts im Ganzen zu verwittern
Ein lieber, heißersehnter Schluß.

Mir ist es trostesreich zu nennen,
Daß wir uns endlich dürfen trennen
Von Allem was uns je beirrt
Und daß nach allem Hoffen, Bangen,
Nach allem Meiden und Verlangen
Uns endlich, endlich Ruhe wird.

Heriberta von Poschinger


Weihnachten 1891

"Ehre sei Gott in der Höh',
Frieden auf Erden
Und den Menschen ein Wohlgefallen!"
Weihvoll so in die Weihnacht
Tönt der Engel uralter Gesang
Hoch durch die Himmel.
Aber auf Erden
Ist alles anders!
Schwer auf das Schwert
Stützen sich, stöhnend
Unter der Waffen wucht'gem Gewicht,
Die feindlichen Völker,
Grimm an den Grenzen
Und lauernd gelagert.
Und im Innern
Der stolzen Staaten
Reißen und rütteln
An ihren Ketten kecker und kühner
Die rasenden Riesen
Der Nacht und des Neides,
Der geifernden Gier nach Genuß,
Und ach! auch oftmals
Gerechter Rache
Für uraltes Unrecht,
Das an ihren Ahnen
Unsere Ahnen geübt,
An uns unschuldigen Enkeln ahndend
Die schlimme Schuld!
Wahrlich, weihvolle Weihnachtweisen,
Friedlich freundliche,
Sollt ihr vom Sänger
So lang' nicht verlangen,
So lang' wie eine Lüge lautet
Das alte weihvolle Weihnachtwort:
"Frieden auf Erden
Und den Menschen ein Wohlgefallen!"

Felix Dahn


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